08.11.2015, 21:45
Es war auf einer dieser vielen langen Fahrten, als Ben und ich auf dieses Thema zu sprechen kamen . Anlass war damals ein schwerer Verkehrsunfall ,
der auch die Ursache war für den Stau, in dem wir bereits seit mehr als zwei Stunden feststeckten und für den Unmut ,der sich langsam aber
sicher in mir breit zu machen begann. Nachdem Ben sich mein Nörgeln und Fluchen eine ganze Weile hatte anhören müssen, sagte er zu mir :
" Geduld ist nicht gerade deine Stärke, soviel steht fest, und dass es dort vorne vielleicht Tote oder Verletzte gegeben hat scheint dich wohl auch
weniger zu interessieren. Vielleicht solltest du einfach mal aussteigen, etwas frische Luft schnappen und bei dieser Gelegenheit darüber nachdenken,
ob du nicht Lust hättest, mit einem der Opfer zu tauschen. Ich bin sicher, jeder Einzelne von ihnen wäre gerne bereit dazu." Wow, das hatte richtig
gesessen. Volle Blase und ein leerer Magen mögen zwar ein triftiger Grund, aber mit Sicherheit keine Rechtfertigung dafür sein, diese geringfügige
Belastung derart über die wesentlich leidvolleren Umstände der Anderen zu stellen .
Das Missverhältnis war mehr als deutlich und ich war augenblicklich still und beschämt. Plötzlich war der Gedanke, dass dort vorne gerade jemand
um sein Leben kämpfte oder es vielleicht sogar verloren hatte, sehr präsent und bedrückend für mich. So kamen wir auf den Tod zu sprechen und Ben
sagte, dass er nur für die Hinterbliebenen der grösste aller Schrecken wäre und es für jedes Ende einen neuen Anfang gibt. Ich fragte ihn, wie er da so
sicher sein könnte und erfuhr an diesem Tag zum ersten Mal, dass Ben vor einigen Jahren eine Tochter im Alter von fünf Monaten verloren hatte. Ben
erzählte mir von seiner "Wanderung durchs Tal der Dunkelheit" und dass ihn erst dieser Verlust auf den Weg brachte, sich überhaupt mit all jenen Themen
zu befassen, die den Sinn des Lebens hinterfragen. Er sagte, es wäre nicht die Zeit gewesen, die seine Wunden geheilt hätte, sondern das Verstehen vom
Lauf der Dinge , die Erkenntnis, das nichts ewig währt und alles einem Wandel unterliegt, damit es sich zu etwas Besserem entwickeln kann. Für ihn war
die Reinkarnation schon lange keine Glaubensfrage mehr, sondern absolute Gewissheit. Ich fragte ihn, ob er sich damit vielleicht nicht nur zu trösten versucht,
doch er meinte, dass es hinreichend Beweise gibt für jeden, der sich die Mühe macht und Nachforschungen darüber anstellt. Es wäre aber auch unwichtig für
ihn, selbst wenn er sich diesbezüglich irren sollte, denn dann würden nach seinem Tod einfach die Lichter ausgehn und sein Irrtum hätte keinerlei spürbare
Konsequenzen, während es für die Lebenszeit aber einen beachtlichen Qualitätsunterschied darstellen würde . " Ich irre mich aber nicht", fuhr er fort ,
"denn ohne die Möglichkeit die Wiedergeburt in Betracht zu ziehen, würde sich keine Frage nach dem Sinn oder Grund unseres Daseins sinnvoll beantworten
lassen." Ich hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt nie sonderlich Gedanken darüber gemacht, aber was Ben mir an diesem Tag mitteilte klang einleuchtender als
die Vorstellung, nur ein Zufall der Natur zu sein. Ben hatte recht, nichts währt ewig und alles ist der Veränderung unterworfen . Nichts kann so bleiben wie
es ist, kein Mensch, kein Ding und keine Situation. Manchmal vollzieht sich die Veränderung langsam und fast unbemerkt, doch manchmal kann es ein winziger
Augenblick sein, der blitzartig dein Leben ins Gegenteil verkehrt. Das haben die Unfallbeteiligten an diesem Tag ebenso zu spüren bekommen,
wie Ben als er sein Kind verlor und ich musste diese Erfahrung nun ebenfalls machen. Wir haben vergessen, was die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind.
Wir sind nachlässig darin geworden,
alles was uns am Herzen liegt zu ehren und zu schätzen, weil wir nicht davon ausgehen, dass es eines Tages verloren gehen könnte. Denn wenn es geschieht,
bedauern wir die verpassten Momente und Gelegenheiten, in denen wir hätten verstehen und beweisen können, dass Freundschaft, Liebe , Füreinander dasein und
Mitmenschlichkeit weit davon entfernt sind, mit materiellen Mitteln aufgewogen werden zu können.
Doch warum erzähle ich sowas Persönliches überhaupt ? Weil Ben mir damals, ohne das es ihm bewusst gewesen wäre, einen Weg aufzeigte, mit Verlusten wie
diesen klarzukommen und mir dabei half, eine andere Einstellung zum Leben wie auch zum Tod zu finden und ich möchte dieses Geschenk nicht für mich alleine
behalten. Es ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass ich ihn immer vermissen werde, zumindest solange wie meine eigene Lebenszeit eben noch andauern
wird, denn nichts währt ja bekanntlich ewig, aber auch DAS aus einem guten Grund wie ich jetzt weiss, danke mein Freund .
Freundliche Grüße an euch alle ,
nordwind
Folgende Wesen haben sich bei Dir bedankt: ELA , Traumfinder , Blümchen , Tara , Anchi , Schlesinger , Sabine , Nachtelf , Lydia