12.11.2012, 19:53
Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole - Aber dir, Naropa, aufrichtig und treu,
Sei dennoch so viel gesagt:
Es kann nicht ausgedrückt werden, es ist unausdrückbar - aber für Naropa muß es gesagt werden.
Wann immer der Jünger bereit wird, erscheint der Meister - muß er erscheinen. Wo immer ein tiefes Bedürfnis entsteht, muß es erfüllt werden. Das gesamte Dasein erwidert dein tiefstes Bedürfnis, aber das Bedürfnis muß da sein. Sonst gehst du an einem Tilopa, einem Buddha, einem Jesus vorbei und erkennst nicht einmal, daß dir ein Jesus begegnet ist.
Tilopa lebte in diesem Land. Niemand hat ihm zugehört - und er war bereit, das allerhöchste Geschenk zu machen. Was geschah? Und es ist in diesem Land so oft vorgekommen, daß etwas dahinterstecken muß. Es ist in diesem Land häufiger vorgekommen als sonst in irgendeinem Land, denn hier sind mehr Tilopas geboren worden. Aber warum muß ein Tilopa nach Tibet gehen? Wie kommt es, daß ein Bodhidharma nach China gehen muß?
Dieses Land weiß zu viel. Dies Land steckt zu sehr im Kopf. Darum ist es so schwierig, hier ein Herz zu finden - es ist das Land der Brahmanen und Pandits, das Land der großen Gelehrten und Philosophen. Sie kennen alle Veden, alle Upanischaden, sie können alle Schriften auswendig herzitieren: das Land des Kopfes. Und darum gingen die Weisen immer wieder außer Landes.
Selbst ich bekomme es zu spüren - wie oft erfahre ich, daß es nahezu unmöglich ist, sich mit einem Brahmanen zu verständigen. Ein Mann, der zu viel weiß, ist ein fast unlösbarer Fall - denn er weiß, ohne das Geringste zu wissen. In seinem Kopf haben sich alle möglichen Theorien, Vorstellungen, Ideologien und Schriften angesammelt. All das ist nichts als geistiger Ballast, keine Blüte. Es ist ihm nicht selbst geschehen, er hat alles zusammengeborgt, und alles Geborgte ist Abfall, toter Müll - wirf es hinaus, sobald sich die erste Gelegenheit bietet. Nur das, was du erlebst, ist wahr. Nur das, was aus dir selbst aufblüht, ist wahr. Nur das, was in dir wächst, ist wahr und lebendig. Denk immer dran: meide geborgtes Wissen.
Geborgtes Wissen wird zu einem Trick des Intellekts: versteckt sich hinter Unwissenheit - aufgehoben wird sie damitnicht. Und je mehr du dich hinter deinem Wissen verschanzt, desto mehr Unwissenheit und Dunkelheit herrscht tief drinnen im Mittelpunkt, an der eigentlichen Quelle deines Seins. Und ein Mann von Wissen, von geborgtem Wissen, hat sich fast vollständig in seinem eigenen Unwissen vergraben - nichts dringt zu ihm durch. Und es ist schwierig, sein Herz zu finden, er selbst hat allen Kontakt zu seinem Herzen verloren. Es ist also kein Zufall, daß ein Tilopa nach Tibet gehen mußte, und ein Bodhidharma nach China. Wenn das Samenkorn keinen fruchtbaren Boden im eigenen Land findet, muß es weit reisen.
Und daran müßt ihr denken, denn es ist sehr leicht, nach Wissen süchtig zu werden - es ist eine Sucht, es ist eine Droge. LSD ist nicht so gefährlich, auch Marihuana nicht. In gewisser Hinsicht sind sie ähnlich, denn auch Marihuana gibt dir einen Einblick in etwas, was nicht da ist; es gibt dir einen Traum von etwas absolut Subjektivem - es gibt dir eine Halluzination.
Wissen tut dasselbe: es gibt dir eine Halluzination von Erfahrung. Du fängst an zu glauben, du wüßtest etwas, nur weil du die Veden zitieren kannst, weil du belegen und widerlegen kannst, weil du einen sehr, sehr logischen und scharfen Verstand hast. Sei kein Narr! Logik hat noch nie einen Menschen zur Wahrheit gebracht. Und ein rationaler Geist ist eine bloße Spielerei. Alles Diskutieren ist kindisch.
Das Leben existiert ohne Diskussionen, und die Wahrheit braucht keine Beweise - sie braucht nichts als dein Herz. Keine Argumente, sondern deine Liebe, dein Vertrauen, deine Bereitschaft, sie entgegenzunehmen.
Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole - Aber dir, Naropa, aufrichtig und treu,
Sei dennoch so viel gesagt:
Die Leere braucht keine Stützen,
Mahamudra ruht auf Nichts.
Ohne jede Anstrengung,
Einfach, indem du gelöst und natürlich bleibst, kannst du das Joch zerbrechen -
Und Befreiung erlangen.
Bedeutsamere Worte sind nie gesagt worden. Versucht, jede Nuance von dem zu verstehen, was Tilopa sagen will.
Die Leere braucht keine Stützen .. .
Alles, was da ist, braucht eine Stütze, etwas, worauf es basiert. Aber wo nichts ist, wo nur Leere ist, ist auch keine Stütze notwendig. Und das ist die tiefste Wahrnehmung aller Wissenden: daß dein Sein ein Nicht-Sein ist. Zu sagen, es sei ein Sein, ist falsch, weil es nicht Etwas ist, es hat nichts vom Etwas. Es ist wie das Nichts: eine unendliche Leere, ohne jede Grenzen. Es ist ein >Anatma<, ein Nicht-Selbst; es gibt in dir kein Selbst. Das Gefühl, du seiest ein Selbst, ist verkehrt. Alle Identifikationen, daß »ich dieses oder jenes bin«, sind falsch.
Wenn du zum Höchsten gelangst, wenn du zu deinem tiefsten Wesenskern vordringst, dann weißt du plötzlich, daß du weder dies noch das bist - du bist niemand. Du bist kein Ego, du bist ganz einfach eine unendliche Leere. Und manchmal, wenn du sitzt, dann schließe die Augen und fühle einfach, wer du bist, wo du bist. Geh tiefer hinein; vielleicht bekommst du dann Angst, denn je tiefer du gehst, desto tiefer fühlst du, daß du niemand bist, ein Nichts. Das ist es, was den Leuten solche Angst vor der Meditation einflößt; es ist ein Tod des Ego - und das Ego ist nichts als eine falsche Vorstellung.
Inzwischen sind auch die Physiker darauf gestoßen, indem sie ihre Nachforschungen im Bereich der Materie vertieft haben: die gleiche Wahrheit, die Buddha, Tilopa, Bodhidharma durch Einsicht fanden, ist von der Wissenschaft nun auch in der Welt der äußeren Dinge entdeckt worden. Jetzt sagen sie, daß es keine Substanzen gibt - und »Substanz« ist eine Parallelvorstellung zum »Selbst«.
Ein Felsblock existiert, er fühlt sich sehr substantiell an. Du kannst ihn jemanden auf den Kopf schlagen, und er wird bluten oder sogar sterben. Er ist sehr konkret. Aber frag nur die Physiker: sie sagen, er ist substanzlos, da ist nichts in ihm. Sie sagen, der Felsblock ist ein reines Energiephänomen; daß eine Menge von sich kreuzenden Energieströmen diesen Fels als kompakte Substanz erscheinen lassen. So, wie wenn man auf einem Stück Papier viele Linien zieht, die sich kreuzen: wo sich viele Linien kreuzen, entsteht eine Verdichtung. Dieser Punkt war zuvor nicht da: zwei Linien kreuzen sich, und ein Punkt entsteht. Gibt es diesen Punkt wirklich? Oder schaffen nur die kreuzenden Linien die Illusion, es handele sich um einen Punkt?
Die Physiker sagen, daß Energieströme, die sich ständig kreuzen, Materie erzeugen. Und wenn du fragst, was für Energieströme das sind, dann bekommst du zur Antwort, daß sie nicht materiell sind, daß sie gewichtlos sind, daß sie substanzlos sind. Nicht-materielle Linien, die hin- und herkreuzen, schaffen die Illusion eines materiellen Objekts, so substantiell wie ein Felsblock.
Buddha kam fünfundzwanzig Jahrhunderte vor Einstein zu dieser erleuchteten Einsicht: es gibt innen niemand; bloße Energielinien, die sich in dir kreuzen, geben dir die Illusion von einem Selbst. Buddha gebrauchte immer wieder das Bild vom Selbst als einer Zwiebel: du schälst sie, eine Schale löst sich und du findest eine weitere Schale. Du schälst weiter, Schale um Schale, und was bleibt am Ende übrig? Die ganze Zwiebel ist zuende geschält, und du hältst nichts in den Händen. Der Mensch ist genau wie eine Zwiebel. Du schälst die Schalen der Gedanken, der Gefühle, und was findest du am Ende? Ein Nichts. Dieses Nichts braucht keine Stützen. Dieses Nichts lebt aus sich selbst.
Darum sagt Buddha, daß es keinen Gott gibt; daß wir keinen Gott nötig haben, denn Gott ist eine Art Stütze. Und Buddha sagt daher, daß es keinen Schöpfer gibt, denn ein Nichts braucht nicht erst erschaffen zu werden. Dies ist eine der schwierigsten Vorstellungen, die du nicht eher verstehen kannst, als bis du es erkannt hast.
Daher sagt Tilopa:
Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole -
Mahamudra ist eine Erfahrung des Nichts - du bist ganz einfach nicht da. Und wenn es dich nicht gibt, wer ist dann da, um zu leiden? Wer soll dann in Schmerz und Qual sein? Wer soll dann deprimiert und traurig sein? Und wer dann glücklich und selig? Buddha sagt, wenn du dich für selig hältst, mußt du auch wieder ein Opfer von Leiden werden; denn es gibt dich noch. Wenn es dich nicht mehr gibt, wenn du völlig erloschen bist, endgültig nicht mehr vorhanden, dann gibt es weder Leiden noch Glückseligkeit. Dann kannst du nicht mehr zurückfallen. Zum Nicht zu gelangen, heißt: alles zu erreichen. Meine ganze Anstrengung mit euch geht dahin, euch zum Nichts zu führen, zu einem vollkommenen Vakuum zu führen.
Die Leere braucht keine Stützen,
Mahamudra ruht auf Nichts. Ohne jede Anstrengung, Einfach, indem du gelöst und natürlich bleibst, kannst du das Joch zerbrechen -
Und Befreiung erlangen.
Als erstes gilt es zu verstehen, daß die Vorstellung des »Selbst« vom Intellekt produziert wird - es gibt in euch kein Selbst.
Es geschah einmal, daß ein großer Buddhist, ein Erleuchteter, von einem König aufgefordert wurde, ihn zu unterrichten. Der Name des buddhistischen Mönches war Nagasen, und der König war ein Vizekönig Alexander des Großen. Als Alexander aus Indien heimkehrte, ließ er Minander als seinen Vizekönig hier zurück; sein indischer Name war Milinda. Dieser Milinda lud Nagasen ein, an seinen Hof zu kommen und ihn zu unterrichten. Er war wirklich interessiert und hatte schon viele Geschichten über Nagasen gehört. Viele Gerüchte waren bis zum Hof vorgedrungen: »Dieser Mann ist eine sehr seltene Erscheinung! Nur selten kommt es vor, daß ein Mensch zur letzten Blüte gelangt, und mit diesem hier ist es geschehen. Er strahlt eine geheimnisvolle Energie aus, eine geheimnisvolle Aura umgibt ihn. Er wandelt auf Erden, aber er ist nicht von dieser Welt.« Der König war neugierig und lud ihn ein.
Der Bote, der Nagasen aufsuchte, kam ganz verwirrt zurück, denn Nagasen hatte gesagt: »Ja, wenn der König einlädt, dann wird Nagasen kommen - aber sag ihm, daß es keinen Nagasen gibt. Wenn er einlädt, dann komme ich, aber sag ihm genau, daß es kein >Ich bin< gibt. Es gibt mich nicht mehr.« Der Bote war verwirrt, wenn es Nagasen nicht mehr gab, wer sollte dann kommen? Auch Milinda war verwirrt und sagte: »Dieser Mann spricht in Rätseln. Aber lasse ihn nur kommen.« Er war ein Grieche, dieser Milinda, und der griechische Geist ist grundsätzlich logisch.
Es gibt im Grunde nur zwei Geistesrichtungen auf der Welt, die indische und die griechische. Die indische ist unlogisch, und die griechische ist logisch. Der indische Geist steigt in die dunklen Tiefen hinunter, wo es keine Grenzen gibt, wo alles verschwommen und neblig wird. Der griechische Geist folgt der logischen Linie, ist geradeaus, und alles kann definiert und kategorisiert werden. Der griechische Sinn ist auf das Bekannte gerichtet. Der indische Sinn geht nach dem Unbekannten, und darüber hinaus: nach dem Unwißbaren. Der griechische Sinn ist absolut rational; der indische Sinn absolut widersprüchlich. Macht euch also nichts draus, wenn ihr in mir zu viele Widersprüche findet.
Es geht nicht anders: Im Orient muß man sich durch Widersprüche verständlich machen.
Milinda sagte: »Dieser Mann scheint mir völlig unberechenbar, vermutlich ist er verrückt. Und wenn es ihn nicht gibt, wie kann er dann herkommen? Aber laß ihn kommen, wir werden sehen. Ich werde ihn schon überführen: Allein dadurch, daß er kommt, ist bewiesen, daß es ihn gibt.« Und Nagasen kam. Milinda empfing ihn am Tor und sagte als erstes: »Ich wundere mich: Du bist gekommen, obwohl du gesagt hast, daß es dich nicht gibt«.
Nagasen antwortete: »Das sage ich immer noch. Laßt uns die Sache also hier und jetzt klären.«
Eine Menge hatte sich angesammelt, der ganze Hof war zusammengeströmt und Nagasen sagte: »Frag nur.«
Milinda fragte: »Sag mir als erstes: Wenn etwas nicht da ist, wie kann es dann kommen? Wenn es erst gar nicht vorhanden ist, dann kann es auch unmöglich kommen - du aber bist gekommen. Daraus folgt, mit einfacher Logik, daß es dich gibt.«
Nagasen lachte und sagte: »Schau dir diese ratha an« - der Wagen, auf dem er gekommen war - »schau sie dir an. Ihr nennt es ratha, nicht wahr?« Milinda sagte: »Ja.« Dann forderte Nagasen die Umstehenden auf, die Pferde auszuspannen. Die Pferde wurden fortgeführt und Nagasen fragte: »Sind diese Pferde der Wagen?« Milinda sagte: »Natürlich nicht.«
Und nach und nach wurde Stück für Stück vom Wagen fortgenommen, jedes einzelne Teil. Als die Räder fortgenommen wurden, fragte er: »Sind diese Räder der Wagen?« und Milinda sagte: »Natürlich nicht«. Als alles fort war und nichts übrig blieb, fragte Nagasen: »Wo ist nun der Wagen, in dem ich gekommen bin? ... Und wir haben den Wagen nie fortgebracht, und alles, was wir fortgebracht haben, war nicht der Wagen, das hast du mir selbst bestätigt. Wo ist also jetzt der Wagen?«
Nagasen sagte: »Auf diese Weise existiert auch Nagasen. Nimm seine Teile fort und er wird verschwinden.« Nichts als Energielinien, die sich gegenseitig kreuzen: Entferne die Linien, und der Kreuzungspunkt verschwindet. Der Wagen war nichts anderes als eine Verbindung von Teilen.
Ihr seid auch nur eine Verbindung von Teilen, das »Ich« ist nichts als eine Verbindung von Teilen. Nehmt die Einzelteile fort, und das »Ich« wird verschwinden. So kommt es, daß du, wenn alle Gedanken aus dem Bewußtsein verschwinden, nicht mehr »Ich« sagen kannst, denn es gibt kein »Ich«: was bleibt, ist ein Vakuum. Wenn alle Gefühle verschwinden, verschwindet auch das Selbst vollkommen. Du bist und bist doch nicht: Nur eine Abwesenheit, ohne Grenzen - Leere.
Das ist die höchste Stufe, dieser Zustand ist Mahamudra - denn nur in diesem Zustand kannst du zum Orgasmus mit dem All gelangen - jetzt gibt es keine Grenzen mehr, kein Selbst; keine Grenze trennt dich mehr von allem übrigen ab.
Das Ganze hat keine Grenzen. Du mußt zum Ganzen werden, nur so kann es zu einem Verschmelzen, zu einem Zusammentreffen kommen. Wenn du leer bist, dann bist du ohne Grenzen, und plötzlich wirst du das Ganze. Wenn es dich nicht gibt, wirst du zum Ganzen. Solange es dich gibt, bist du ein häßliches Ego. Wenn es dich nicht mehr gibt, steht die gesamte Ausdehnung des Daseins deinem Sein zur Verfügung. Aber das sind Widersprüche. Ihr müßt euch etwas anstrengen, das zu verstehen: Werdet ein wenig wie Naropa, sonst bleiben diese Wörter und Symbole ohne jeden Sinn für euch. Ihr müßt mir mit Vertrauen zuhören. Und wenn ich das sage, daß ihr mir mit Vertrauen zuhören sollt, dann meine ich damit, daß ich diese Erfahrung kenne, daß es wirklich so ist. Ich bin ein Zeuge und ich trage Zeugnis dafür, daß es so ist. Es mag nicht möglich sein, es zu sagen, aber das bedeutet nicht, daß es nicht so ist. Anderes mag sagbar sein, aber das bedeutet nicht, daß es auch stimmt. Man kann etwas sagen, das nicht ist, und man kann unfähig sein, etwas zu sagen, das wirklich so ist. Ich bin Zeuge, daß es so ist, aber ihr werdet mich nur verstehen, wenn ihr sein könnt wie Naropa, wenn ihr voll Vertrauen zuhören könnt.
Ich lehre keine Ideologie; ich hätte mich nicht einen Augenblick mit Tilopa abgegeben, wenn es nicht auch meine Erfahrung wäre; und Tilopa hat es sehr gut zum Ausdruck gebracht.
Die Leere braucht keine Stützen, Mahamudra ruht auf Nichts.
Auf Nichts ruht Mahamudra.
Mahamudra bedeutet wörtlich: »Die große Geste oder die höchste Geste, die letzte, die dir möglich ist« - danach gibt
es keine mehr. Mahamudra ruht auf Nichts. Sei ein Nichts, und alles ist erreicht. Stirb und du wirst zum Gott. Verschwinde und du wirst zum All.
Hier verschwindet der Tropfen, und dort kommt der Ozean zum Vorschein. Klammere dich nicht an dich selbst - all deine vergangenen Leben hast du nichts anderes getan: hast dich geklammert in der Angst, daß du, wenn du dich nicht am Ego festhältst, den Boden unter den Füßen verlieren und in einen bodenlosen Abgrund fallen müßtest ... Und so klammern wir uns an winzige Dinge, völlig bedeutungslos, wir klammern uns aus Panik fest. Dieses Klammern zeigt, daß auch du in dir eine grenzenlose Leere wahrnimmst. Das Nächstbeste, was es auch sei, ist dir recht, um dich daran festzuklammern, aber genau dieses Klammern ist dein Elend, ist dein Samsara. Laß dich in den Abgrund fallen. Und hast du dich erst einmal in den Abgrund fallen lassen, dann wirst du selbst zum Abgrund. Dann gibt es keinen Tod, denn wie kann ein Abgrund sterben? Dann gibt es kein Ende mehr, denn wie kann ein Nichts enden? Etwas kann enden, muß sogar enden - nur Nichts kann ewig sein, Mahamudra ruht auf Nichts.
Sei dennoch so viel gesagt:
Es kann nicht ausgedrückt werden, es ist unausdrückbar - aber für Naropa muß es gesagt werden.
Wann immer der Jünger bereit wird, erscheint der Meister - muß er erscheinen. Wo immer ein tiefes Bedürfnis entsteht, muß es erfüllt werden. Das gesamte Dasein erwidert dein tiefstes Bedürfnis, aber das Bedürfnis muß da sein. Sonst gehst du an einem Tilopa, einem Buddha, einem Jesus vorbei und erkennst nicht einmal, daß dir ein Jesus begegnet ist.
Tilopa lebte in diesem Land. Niemand hat ihm zugehört - und er war bereit, das allerhöchste Geschenk zu machen. Was geschah? Und es ist in diesem Land so oft vorgekommen, daß etwas dahinterstecken muß. Es ist in diesem Land häufiger vorgekommen als sonst in irgendeinem Land, denn hier sind mehr Tilopas geboren worden. Aber warum muß ein Tilopa nach Tibet gehen? Wie kommt es, daß ein Bodhidharma nach China gehen muß?
Dieses Land weiß zu viel. Dies Land steckt zu sehr im Kopf. Darum ist es so schwierig, hier ein Herz zu finden - es ist das Land der Brahmanen und Pandits, das Land der großen Gelehrten und Philosophen. Sie kennen alle Veden, alle Upanischaden, sie können alle Schriften auswendig herzitieren: das Land des Kopfes. Und darum gingen die Weisen immer wieder außer Landes.
Selbst ich bekomme es zu spüren - wie oft erfahre ich, daß es nahezu unmöglich ist, sich mit einem Brahmanen zu verständigen. Ein Mann, der zu viel weiß, ist ein fast unlösbarer Fall - denn er weiß, ohne das Geringste zu wissen. In seinem Kopf haben sich alle möglichen Theorien, Vorstellungen, Ideologien und Schriften angesammelt. All das ist nichts als geistiger Ballast, keine Blüte. Es ist ihm nicht selbst geschehen, er hat alles zusammengeborgt, und alles Geborgte ist Abfall, toter Müll - wirf es hinaus, sobald sich die erste Gelegenheit bietet. Nur das, was du erlebst, ist wahr. Nur das, was aus dir selbst aufblüht, ist wahr. Nur das, was in dir wächst, ist wahr und lebendig. Denk immer dran: meide geborgtes Wissen.
Geborgtes Wissen wird zu einem Trick des Intellekts: versteckt sich hinter Unwissenheit - aufgehoben wird sie damitnicht. Und je mehr du dich hinter deinem Wissen verschanzt, desto mehr Unwissenheit und Dunkelheit herrscht tief drinnen im Mittelpunkt, an der eigentlichen Quelle deines Seins. Und ein Mann von Wissen, von geborgtem Wissen, hat sich fast vollständig in seinem eigenen Unwissen vergraben - nichts dringt zu ihm durch. Und es ist schwierig, sein Herz zu finden, er selbst hat allen Kontakt zu seinem Herzen verloren. Es ist also kein Zufall, daß ein Tilopa nach Tibet gehen mußte, und ein Bodhidharma nach China. Wenn das Samenkorn keinen fruchtbaren Boden im eigenen Land findet, muß es weit reisen.
Und daran müßt ihr denken, denn es ist sehr leicht, nach Wissen süchtig zu werden - es ist eine Sucht, es ist eine Droge. LSD ist nicht so gefährlich, auch Marihuana nicht. In gewisser Hinsicht sind sie ähnlich, denn auch Marihuana gibt dir einen Einblick in etwas, was nicht da ist; es gibt dir einen Traum von etwas absolut Subjektivem - es gibt dir eine Halluzination.
Wissen tut dasselbe: es gibt dir eine Halluzination von Erfahrung. Du fängst an zu glauben, du wüßtest etwas, nur weil du die Veden zitieren kannst, weil du belegen und widerlegen kannst, weil du einen sehr, sehr logischen und scharfen Verstand hast. Sei kein Narr! Logik hat noch nie einen Menschen zur Wahrheit gebracht. Und ein rationaler Geist ist eine bloße Spielerei. Alles Diskutieren ist kindisch.
Das Leben existiert ohne Diskussionen, und die Wahrheit braucht keine Beweise - sie braucht nichts als dein Herz. Keine Argumente, sondern deine Liebe, dein Vertrauen, deine Bereitschaft, sie entgegenzunehmen.
Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole - Aber dir, Naropa, aufrichtig und treu,
Sei dennoch so viel gesagt:
Die Leere braucht keine Stützen,
Mahamudra ruht auf Nichts.
Ohne jede Anstrengung,
Einfach, indem du gelöst und natürlich bleibst, kannst du das Joch zerbrechen -
Und Befreiung erlangen.
Bedeutsamere Worte sind nie gesagt worden. Versucht, jede Nuance von dem zu verstehen, was Tilopa sagen will.
Die Leere braucht keine Stützen .. .
Alles, was da ist, braucht eine Stütze, etwas, worauf es basiert. Aber wo nichts ist, wo nur Leere ist, ist auch keine Stütze notwendig. Und das ist die tiefste Wahrnehmung aller Wissenden: daß dein Sein ein Nicht-Sein ist. Zu sagen, es sei ein Sein, ist falsch, weil es nicht Etwas ist, es hat nichts vom Etwas. Es ist wie das Nichts: eine unendliche Leere, ohne jede Grenzen. Es ist ein >Anatma<, ein Nicht-Selbst; es gibt in dir kein Selbst. Das Gefühl, du seiest ein Selbst, ist verkehrt. Alle Identifikationen, daß »ich dieses oder jenes bin«, sind falsch.
Wenn du zum Höchsten gelangst, wenn du zu deinem tiefsten Wesenskern vordringst, dann weißt du plötzlich, daß du weder dies noch das bist - du bist niemand. Du bist kein Ego, du bist ganz einfach eine unendliche Leere. Und manchmal, wenn du sitzt, dann schließe die Augen und fühle einfach, wer du bist, wo du bist. Geh tiefer hinein; vielleicht bekommst du dann Angst, denn je tiefer du gehst, desto tiefer fühlst du, daß du niemand bist, ein Nichts. Das ist es, was den Leuten solche Angst vor der Meditation einflößt; es ist ein Tod des Ego - und das Ego ist nichts als eine falsche Vorstellung.
Inzwischen sind auch die Physiker darauf gestoßen, indem sie ihre Nachforschungen im Bereich der Materie vertieft haben: die gleiche Wahrheit, die Buddha, Tilopa, Bodhidharma durch Einsicht fanden, ist von der Wissenschaft nun auch in der Welt der äußeren Dinge entdeckt worden. Jetzt sagen sie, daß es keine Substanzen gibt - und »Substanz« ist eine Parallelvorstellung zum »Selbst«.
Ein Felsblock existiert, er fühlt sich sehr substantiell an. Du kannst ihn jemanden auf den Kopf schlagen, und er wird bluten oder sogar sterben. Er ist sehr konkret. Aber frag nur die Physiker: sie sagen, er ist substanzlos, da ist nichts in ihm. Sie sagen, der Felsblock ist ein reines Energiephänomen; daß eine Menge von sich kreuzenden Energieströmen diesen Fels als kompakte Substanz erscheinen lassen. So, wie wenn man auf einem Stück Papier viele Linien zieht, die sich kreuzen: wo sich viele Linien kreuzen, entsteht eine Verdichtung. Dieser Punkt war zuvor nicht da: zwei Linien kreuzen sich, und ein Punkt entsteht. Gibt es diesen Punkt wirklich? Oder schaffen nur die kreuzenden Linien die Illusion, es handele sich um einen Punkt?
Die Physiker sagen, daß Energieströme, die sich ständig kreuzen, Materie erzeugen. Und wenn du fragst, was für Energieströme das sind, dann bekommst du zur Antwort, daß sie nicht materiell sind, daß sie gewichtlos sind, daß sie substanzlos sind. Nicht-materielle Linien, die hin- und herkreuzen, schaffen die Illusion eines materiellen Objekts, so substantiell wie ein Felsblock.
Buddha kam fünfundzwanzig Jahrhunderte vor Einstein zu dieser erleuchteten Einsicht: es gibt innen niemand; bloße Energielinien, die sich in dir kreuzen, geben dir die Illusion von einem Selbst. Buddha gebrauchte immer wieder das Bild vom Selbst als einer Zwiebel: du schälst sie, eine Schale löst sich und du findest eine weitere Schale. Du schälst weiter, Schale um Schale, und was bleibt am Ende übrig? Die ganze Zwiebel ist zuende geschält, und du hältst nichts in den Händen. Der Mensch ist genau wie eine Zwiebel. Du schälst die Schalen der Gedanken, der Gefühle, und was findest du am Ende? Ein Nichts. Dieses Nichts braucht keine Stützen. Dieses Nichts lebt aus sich selbst.
Darum sagt Buddha, daß es keinen Gott gibt; daß wir keinen Gott nötig haben, denn Gott ist eine Art Stütze. Und Buddha sagt daher, daß es keinen Schöpfer gibt, denn ein Nichts braucht nicht erst erschaffen zu werden. Dies ist eine der schwierigsten Vorstellungen, die du nicht eher verstehen kannst, als bis du es erkannt hast.
Daher sagt Tilopa:
Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole -
Mahamudra ist eine Erfahrung des Nichts - du bist ganz einfach nicht da. Und wenn es dich nicht gibt, wer ist dann da, um zu leiden? Wer soll dann in Schmerz und Qual sein? Wer soll dann deprimiert und traurig sein? Und wer dann glücklich und selig? Buddha sagt, wenn du dich für selig hältst, mußt du auch wieder ein Opfer von Leiden werden; denn es gibt dich noch. Wenn es dich nicht mehr gibt, wenn du völlig erloschen bist, endgültig nicht mehr vorhanden, dann gibt es weder Leiden noch Glückseligkeit. Dann kannst du nicht mehr zurückfallen. Zum Nicht zu gelangen, heißt: alles zu erreichen. Meine ganze Anstrengung mit euch geht dahin, euch zum Nichts zu führen, zu einem vollkommenen Vakuum zu führen.
Die Leere braucht keine Stützen,
Mahamudra ruht auf Nichts. Ohne jede Anstrengung, Einfach, indem du gelöst und natürlich bleibst, kannst du das Joch zerbrechen -
Und Befreiung erlangen.
Als erstes gilt es zu verstehen, daß die Vorstellung des »Selbst« vom Intellekt produziert wird - es gibt in euch kein Selbst.
Es geschah einmal, daß ein großer Buddhist, ein Erleuchteter, von einem König aufgefordert wurde, ihn zu unterrichten. Der Name des buddhistischen Mönches war Nagasen, und der König war ein Vizekönig Alexander des Großen. Als Alexander aus Indien heimkehrte, ließ er Minander als seinen Vizekönig hier zurück; sein indischer Name war Milinda. Dieser Milinda lud Nagasen ein, an seinen Hof zu kommen und ihn zu unterrichten. Er war wirklich interessiert und hatte schon viele Geschichten über Nagasen gehört. Viele Gerüchte waren bis zum Hof vorgedrungen: »Dieser Mann ist eine sehr seltene Erscheinung! Nur selten kommt es vor, daß ein Mensch zur letzten Blüte gelangt, und mit diesem hier ist es geschehen. Er strahlt eine geheimnisvolle Energie aus, eine geheimnisvolle Aura umgibt ihn. Er wandelt auf Erden, aber er ist nicht von dieser Welt.« Der König war neugierig und lud ihn ein.
Der Bote, der Nagasen aufsuchte, kam ganz verwirrt zurück, denn Nagasen hatte gesagt: »Ja, wenn der König einlädt, dann wird Nagasen kommen - aber sag ihm, daß es keinen Nagasen gibt. Wenn er einlädt, dann komme ich, aber sag ihm genau, daß es kein >Ich bin< gibt. Es gibt mich nicht mehr.« Der Bote war verwirrt, wenn es Nagasen nicht mehr gab, wer sollte dann kommen? Auch Milinda war verwirrt und sagte: »Dieser Mann spricht in Rätseln. Aber lasse ihn nur kommen.« Er war ein Grieche, dieser Milinda, und der griechische Geist ist grundsätzlich logisch.
Es gibt im Grunde nur zwei Geistesrichtungen auf der Welt, die indische und die griechische. Die indische ist unlogisch, und die griechische ist logisch. Der indische Geist steigt in die dunklen Tiefen hinunter, wo es keine Grenzen gibt, wo alles verschwommen und neblig wird. Der griechische Geist folgt der logischen Linie, ist geradeaus, und alles kann definiert und kategorisiert werden. Der griechische Sinn ist auf das Bekannte gerichtet. Der indische Sinn geht nach dem Unbekannten, und darüber hinaus: nach dem Unwißbaren. Der griechische Sinn ist absolut rational; der indische Sinn absolut widersprüchlich. Macht euch also nichts draus, wenn ihr in mir zu viele Widersprüche findet.
Es geht nicht anders: Im Orient muß man sich durch Widersprüche verständlich machen.
Milinda sagte: »Dieser Mann scheint mir völlig unberechenbar, vermutlich ist er verrückt. Und wenn es ihn nicht gibt, wie kann er dann herkommen? Aber laß ihn kommen, wir werden sehen. Ich werde ihn schon überführen: Allein dadurch, daß er kommt, ist bewiesen, daß es ihn gibt.« Und Nagasen kam. Milinda empfing ihn am Tor und sagte als erstes: »Ich wundere mich: Du bist gekommen, obwohl du gesagt hast, daß es dich nicht gibt«.
Nagasen antwortete: »Das sage ich immer noch. Laßt uns die Sache also hier und jetzt klären.«
Eine Menge hatte sich angesammelt, der ganze Hof war zusammengeströmt und Nagasen sagte: »Frag nur.«
Milinda fragte: »Sag mir als erstes: Wenn etwas nicht da ist, wie kann es dann kommen? Wenn es erst gar nicht vorhanden ist, dann kann es auch unmöglich kommen - du aber bist gekommen. Daraus folgt, mit einfacher Logik, daß es dich gibt.«
Nagasen lachte und sagte: »Schau dir diese ratha an« - der Wagen, auf dem er gekommen war - »schau sie dir an. Ihr nennt es ratha, nicht wahr?« Milinda sagte: »Ja.« Dann forderte Nagasen die Umstehenden auf, die Pferde auszuspannen. Die Pferde wurden fortgeführt und Nagasen fragte: »Sind diese Pferde der Wagen?« Milinda sagte: »Natürlich nicht.«
Und nach und nach wurde Stück für Stück vom Wagen fortgenommen, jedes einzelne Teil. Als die Räder fortgenommen wurden, fragte er: »Sind diese Räder der Wagen?« und Milinda sagte: »Natürlich nicht«. Als alles fort war und nichts übrig blieb, fragte Nagasen: »Wo ist nun der Wagen, in dem ich gekommen bin? ... Und wir haben den Wagen nie fortgebracht, und alles, was wir fortgebracht haben, war nicht der Wagen, das hast du mir selbst bestätigt. Wo ist also jetzt der Wagen?«
Nagasen sagte: »Auf diese Weise existiert auch Nagasen. Nimm seine Teile fort und er wird verschwinden.« Nichts als Energielinien, die sich gegenseitig kreuzen: Entferne die Linien, und der Kreuzungspunkt verschwindet. Der Wagen war nichts anderes als eine Verbindung von Teilen.
Ihr seid auch nur eine Verbindung von Teilen, das »Ich« ist nichts als eine Verbindung von Teilen. Nehmt die Einzelteile fort, und das »Ich« wird verschwinden. So kommt es, daß du, wenn alle Gedanken aus dem Bewußtsein verschwinden, nicht mehr »Ich« sagen kannst, denn es gibt kein »Ich«: was bleibt, ist ein Vakuum. Wenn alle Gefühle verschwinden, verschwindet auch das Selbst vollkommen. Du bist und bist doch nicht: Nur eine Abwesenheit, ohne Grenzen - Leere.
Das ist die höchste Stufe, dieser Zustand ist Mahamudra - denn nur in diesem Zustand kannst du zum Orgasmus mit dem All gelangen - jetzt gibt es keine Grenzen mehr, kein Selbst; keine Grenze trennt dich mehr von allem übrigen ab.
Das Ganze hat keine Grenzen. Du mußt zum Ganzen werden, nur so kann es zu einem Verschmelzen, zu einem Zusammentreffen kommen. Wenn du leer bist, dann bist du ohne Grenzen, und plötzlich wirst du das Ganze. Wenn es dich nicht gibt, wirst du zum Ganzen. Solange es dich gibt, bist du ein häßliches Ego. Wenn es dich nicht mehr gibt, steht die gesamte Ausdehnung des Daseins deinem Sein zur Verfügung. Aber das sind Widersprüche. Ihr müßt euch etwas anstrengen, das zu verstehen: Werdet ein wenig wie Naropa, sonst bleiben diese Wörter und Symbole ohne jeden Sinn für euch. Ihr müßt mir mit Vertrauen zuhören. Und wenn ich das sage, daß ihr mir mit Vertrauen zuhören sollt, dann meine ich damit, daß ich diese Erfahrung kenne, daß es wirklich so ist. Ich bin ein Zeuge und ich trage Zeugnis dafür, daß es so ist. Es mag nicht möglich sein, es zu sagen, aber das bedeutet nicht, daß es nicht so ist. Anderes mag sagbar sein, aber das bedeutet nicht, daß es auch stimmt. Man kann etwas sagen, das nicht ist, und man kann unfähig sein, etwas zu sagen, das wirklich so ist. Ich bin Zeuge, daß es so ist, aber ihr werdet mich nur verstehen, wenn ihr sein könnt wie Naropa, wenn ihr voll Vertrauen zuhören könnt.
Ich lehre keine Ideologie; ich hätte mich nicht einen Augenblick mit Tilopa abgegeben, wenn es nicht auch meine Erfahrung wäre; und Tilopa hat es sehr gut zum Ausdruck gebracht.
Die Leere braucht keine Stützen, Mahamudra ruht auf Nichts.
Auf Nichts ruht Mahamudra.
Mahamudra bedeutet wörtlich: »Die große Geste oder die höchste Geste, die letzte, die dir möglich ist« - danach gibt
es keine mehr. Mahamudra ruht auf Nichts. Sei ein Nichts, und alles ist erreicht. Stirb und du wirst zum Gott. Verschwinde und du wirst zum All.
Hier verschwindet der Tropfen, und dort kommt der Ozean zum Vorschein. Klammere dich nicht an dich selbst - all deine vergangenen Leben hast du nichts anderes getan: hast dich geklammert in der Angst, daß du, wenn du dich nicht am Ego festhältst, den Boden unter den Füßen verlieren und in einen bodenlosen Abgrund fallen müßtest ... Und so klammern wir uns an winzige Dinge, völlig bedeutungslos, wir klammern uns aus Panik fest. Dieses Klammern zeigt, daß auch du in dir eine grenzenlose Leere wahrnimmst. Das Nächstbeste, was es auch sei, ist dir recht, um dich daran festzuklammern, aber genau dieses Klammern ist dein Elend, ist dein Samsara. Laß dich in den Abgrund fallen. Und hast du dich erst einmal in den Abgrund fallen lassen, dann wirst du selbst zum Abgrund. Dann gibt es keinen Tod, denn wie kann ein Abgrund sterben? Dann gibt es kein Ende mehr, denn wie kann ein Nichts enden? Etwas kann enden, muß sogar enden - nur Nichts kann ewig sein, Mahamudra ruht auf Nichts.
Alle Dinge mußt du suchen, um sie zu finden,
ausgenommen diesen Freund, den du,
ehe du ihn gefunden hast,
nicht suchen wirst. *Rumi (1207 - 1273)
ausgenommen diesen Freund, den du,
ehe du ihn gefunden hast,
nicht suchen wirst. *Rumi (1207 - 1273)